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50 Geschichten: Suchtarbeit im Strafvollzug

Dieser Beitrag erschien erstmals in der zweiten Ausgabe der ConNews 2011 und stammt von Walter Landmann, ehemaliger Mitarbeiter als Suchtberater im Strafvollzug. Der letzte Abschnitt des Textes gibt dann nochmal ein Update zum aktuellen Ist-Stand.

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Walter Landmann war fast 33 Jahre als Suchtberater im Strafvollzug tätig. Für ConNews berichtet der ehemalige Condrobs-Mitarbeiter aus der Vogelperspektive.

Die Beratung und Betreuung von drogenabhängigen Männern und Frauen in Gefängnissen ist Condrobs schon immer ein Anliegen gewesen. Innerhalb des Strafvollzugssystems waren die sogenannten „Giftler“ Mitte der 1970er-Jahre noch schlecht einzuordnen. Damals war unsere Aufgabe, Justiz und Kostenträgern fundierte Fachinformationen zu vermitteln. In den 1980er-Jahren wurde das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) novelliert. Die Vorgaben der Kostenträger wurden verbindlicher, die Therapievermittlung verlässlicher. Das therapeutische Angebot gewann an Profil. In den 1990er-Jahren stieg der Anteil der Inhaftierten mit Suchtproblemen stetig an. Die Klientel veränderte sich und die Beratung konnte so nur noch rudimentär erfüllt werden.

Von Haft in Therapie

Dieser Entwicklung trug das Modellprojekt „Externe Suchtberatung“ 1997 Rechnung. In den Justizvollzugsanstalten wurde der Umfang erheblich erweitert. Infrastruktur wurde geschaffen. Unsere Arbeit als Suchtberater*innen fand positives Echo. Wir arbeiteten konstruktiv mit den Fachdiensten der JVA zusammen. Dadurch konnten wir uns individuell auf die Bedürfnisse der Klientel einstellen und geeignete Therapieangebote vorbereiten. Das Fazit: Eine wachsende Zahl von Klient*innen wechselte direkt nach der Haft in eine stationäre Therapie. Die Vollzugspläne der Gefangenen wiesen zu Beginn der Strafe auf die Notwendigkeit therapeutischer Maßnahmen hin. Verschiedene Angebote motivierten die Inhaftierten, am eigenen „Lebensplan“ konstruktiv zu arbeiten und sich auch auf das sich allmählich etablierende Modell der ambulanten Therapie vorzubereiten.

Chance auf Integration

Seit einigen Jahren sind wir nun mit einer rückwärtsgewandten Entwicklung konfrontiert. Wichtige Errungenschaften wie „Therapie statt Strafe“ wurden infrage gestellt. Staatsanwaltschaften prüfen Anträge von drogenabhängigen Inhaftierten auf eine Rückstellung der Strafe nach § 35 BtMG zugunsten einer Therapie nach strengen Kriterien – und lehnen in vielen Fällen ab. Auch die Kostenträger bewilligen Therapiemaßnahmen immer seltener. Die Verweildauer der Klientel in der JVA verlängert sich, den Integrationsbemühungen ist dies alles andere als zuträglich. Nun steht die Suchtberatung im Strafvollzug vor einer Herausforderung. Auftrag und Positionierung müssen mit den leitenden Personen im Strafvollzug neu abgesteckt werden. Um der Klientel weiterhin eine Chance auf echte Integration zu geben, ist ein konstruktives und tragfähiges Übereinkommen unumgänglich.

Update zum 25-jährigen Jubiläum

2022 begeht die Externe Suchtberatung ihr 25-jähriges Jubiläum. Sie hat sich weiter etabliert und ihre Angebote zielgruppenspezifisch ausgebaut, exemplarisch dafür steht unser differenziertes Gruppenangebot. Der Justizvollzug hat sich dem komplexen Thema „Sucht“ stärker geöffnet. Eine bedarfsgerechte Substitutionstherapie für opioidabhängige Klient*innen ist inzwischen fester Bestandteil der Krankenbehandlung in den Justizvollzugsanstalten, die psychosoziale Begleitung durch die Externe Suchtberatung fest verankert.

Für diese Zielgruppe wurden 2019/20 im Rahmen des Bayerischen Modellprojekts Naloxon-Schulungen durchgeführt, den Teilnehmer*innen mit Haftentlassung ein Naloxon Nasenspray ausgehändigt. Das neue Angebot kann weitergeführt werden, ein wichtiger, möglicherweise lebensrettender Beitrag mit Blick auf das erhöhte Risiko für Überdosierungen nach Haftende. Therapievorbereitung und -vermittlung ist nach wie vor ein Schwerpunkt der Externen Suchtberatung, die Vermittlungsarbeit im Übergang allerdings wesentlich breiter angelegt. Sie bezieht sich auf alle Hilfemaßnahmen, die unsere Klient*innen dabei unterstützt, möglichst stabil zu bleiben und ein eigenverantwortliches, souveränes Leben zu führen.

Herausforderungen werden bleiben, das liegt in der Natur der Sache, wenn Akteure aus unterschiedlichen Systemen aufeinandertreffen. So hat die aktuelle Corona-Pandemie viele Einschränkungen im Justizvollzug auch für unsere Hilfsangebote gebracht. Jetzt gilt es, das Erreichte zu sichern!