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50 Geschichten: Wie sinnvoll Eure Arbeit ist

Dieser Beitrag von Inizio Nachsorge [1] erschien erstmals in der ersten Ausgabe der ConNews 2008.

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S. lebte 2,5 Jahre in einer der Wohngemeinschaften der Inizio Nachsorge von Condrobs. Nach Inhaftierungen und Suchttherapie inklusive Rückfällen fand er einen Nachsorgeplatz, der pädagogische Betreuung uns psychologische Beratung versprach.

„Ich wollte bewusst den Folgen meiner Kindheit entgegentreten, lernen, mit diesen zurechtzukommen und diese zu überwinden.“ Auszüge aus S.‘ Therapie-Tagebuch vermitteln einen Teil seines Weges vom suchenden Klienten zum aktiven, selbstbewussten Mann, der sowohl privat als auch beruflich wieder festen Boden unter den Füßen hat.

„… Ich bekam mit, dass einige auch stärkere Getränke mitgebracht hatten. Im Laufe des Abends wurden meine Mitschüler immer betrunkener, ich immer isolierter. Als eine Mitschülerin mir dann ein Glas Glühwein entgegenhielt, konnte ich nicht mehr »Nein« sagen. Ich trank auch ein zweites, muss aber sagen, dass es mir nicht wirklich was gebracht hat. Ich hätte weitertrinken können, wusste aber, dass das zu nichts führen würde, außer dass ich abstürzen würde. Ich verabschiedete mich und ging zu A. Wäre sie dabei gewesen, dann wäre mir das wohl nicht passiert. In ihrer Gesellschaft wäre ich kontrolliert gewesen.

Am nächsten Tag hatte ich einen Einzeltermin. Als ich das Büro der Inizio Nachsorge betrat, teilte ich meinen Rückfall sogleich mit. Von meinem letzten Rückfall wusste ich, dass ich vertrauen konnte. Den Nutzen, den ich daraus ziehen könnte, war es mir wert, durch eine negative Entscheidung der Inizio Nachsorge meine Therapie abbrechen zu müssen. In diesem Fall wäre ich wohl nicht für das Clean-Sein geeignet bzw. ich hätte es allein schaffen müssen. Doch das Team der Inizio Nachsorge gab mir eine weitere Chance. Obwohl zuvor alles so gut lief, obwohl ich so viel erreicht hatte und mich so sicher und stabil fühlte, war ich nicht stabil. … Ich wusste auch, dass ich die Verantwortung nicht auf A., nicht auf Inizio Nachsorge abschieben konnte. Ich muss selbst die Verantwortung für mein Clean-Sein übernehmen.  …

Die folgenden Monate waren sehr hart. Die Doppelbelastung Werkstatt und abends Schule machten mir schwer zu schaffen. Oft kam ich zu spät in die Arbeit, war sehr oft krank. Auch die Schule schwänzte ich des Öfteren. Nebenbei bereitete ich mich für die Aufnahmeprüfung für die BFS für Kommunikationsdesign vor. Ich hatte kaum Zeit für meine Freundin oder meine Freunde, geschweige denn für mich. Aber im Nachhinein kann ich sagen, dass es eine schöne Zeit war, in der ich sehr ausgefüllt war, sehr erfolgreich.

Wie sinnvoll eure Arbeit ist, das habe ich am eigenen Leib erfahren. Ich habe gelernt, dass ich eine Perspektive habe, dass ich um mein Leben kämpfen kann. Und dass es sich lohnt, dafür zu kämpfen. Ich habe gelernt, mir mein Leben so zu gestalten, wie ich es mir wünsche, und alles dafür zu tun, um meine Träume zu realisieren. Ich habe gelernt, nichts, was mich belastet, auf sich beruhen zu lassen. Für alles eine Lösung zu finden. … Und zu akzeptieren, dass ich manchmal nichts gegen mein Schicksal tun kann. Dann kann ich beruhigt sein, dass ich alles getan habe, was in meiner Macht steht.

Vieles von dem, was ich mitgebracht habe, habe ich mit Eurer Hilfe hinter mir lassen können. Ich habe mir viele Kompetenzen aneignen können. Habe mich ausprobieren können. Auch hinfallen konnte ich. Und wieder aufstehen. … Ihr habt mir gezeigt, dass ich vertrauen kann, dass jemand für mich da ist, jemand, der bereit ist, auch die schrecklichen Erlebnisse meines Lebens mit mir zu teilen.

Bis vor kurzer Zeit war meine Oma die einzige Person in meinem Leben, an die ich keine schlechte Erinnerungen habe. Jetzt seid Ihr hinzugekommen.“