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Politische Forderungen zur Bundestagswahl 2021

Die am 26. September stattfindende Bundestagswahl könnte einen Richtungswechsel auf Regierungsebene bedeuten. Wer auch immer stärkste Partei wird und letztlich die*den Bundeskanzler*in stellt, es gibt jede Menge wichtige Themen, die es anzupacken gilt.

Es warten Aufgaben von enormer weltpolitischer Tragweite auf die dann neu zusammengesetzte Regierung. Dazu gehört eine auf die Zukunft ausgerichtete, nachhaltige Klimapolitik. Die weiterführenden Hilfen für die afghanische Bevölkerung [1] müssen dringend beschlossen und umgesetzt werden. Und die Covid19-Pandemie hat nach wie vor extreme Auswirkungen auf unser aller Leben.

Es gibt noch weitere wichtige Punkte, die Teil des politischen Agenda Settings sein müssen. Einige ausgewählte Wahlprüfsteine [2] hatte Condrobs bereits vorgelegt. Diese möchten wir kurz vor der Wahl nochmal mit Nachdruck wiederholen. Darüber hinaus gibt es noch weitere bedeutsame Themen, die wir an dieser Stelle politisch adressieren.

Gewalt gegen Frauen* entgegenwirken

Der Bedarf an Plätzen in Frauenhäusern ist groß, die Zugangshürden sind für Frauen* mit besonderen Bedarfslagen jedoch extrem hoch. Suchtmittelabhängigen und psychisch kranken, schutzsuchenden Frauen* wird derzeit die Aufnahme verwehrt. Wir treten für eine Erweiterung an Plätzen speziell für diese Zielgruppen ein, damit möglichst keine Frau*, die Hilfe benötigt, abgewiesen wird.

Dringend angegangen werden muss zudem das große Problem der Gewalt gegen Frauen* in ANKER-Zentren. Vorhandene Schutzkonzepte sind nicht ausreichend, die öffentliche Wahrnehmung des Problems ist kaum vorhanden. Zudem gibt es keine unabhängige Stelle, die die Zustände regelmäßig prüft und als Anlaufstation für Beschwerden der Frauen* fungiert.

Grundsätzlich fordert Condrobs, der Gewalt gegen Frauen* [3] entgegenzuwirken und bedingungslose Hilfe für Frauen* zu etablieren. Unser diesbezüglich veröffentlichtes Positionspapier [4] enthält detailliert unsere Forderungen, deren Überschriften wie folgt lauten:

  1. Gewalt als System erkennen und öffentlich machen
  2. Prävention ausbauen – Gewalt verhindern
  3. Opfern helfen, mit Täter*innen arbeiten
  4. Sucht als Folge von Gewalt erkennen
Deckung des Jugendhilfebedarfs

Schnell angegangen werden muss der Ausbau von Schulsozialarbeit und berufsbezogener Jugendhilfe. Bereits bestehende Bildungsungleichheiten haben sich aufgrund der Covid19-Krise verschärft [5], die wirtschaftlichen Konsequenzen haben zur Folge, dass Berufseinstiege zunehmend erschwert werden. Hier sind frühzeitige, niedrigschwellige und flächendeckende Angebote dringend notwendig, um die Folgen abzumildern. Zu diesen gehören nebst den Defiziten bezüglich Schulbildung und Persönlichkeitsentwicklung verstärkt auch psychische Probleme [6], die aus Leistungsdruck, Zukunftsängsten und mangelnden Sozialkontakten resultieren. In besonders hohem Maße sind junge Menschen aufgrund individueller Beeinträchtigungen und sozialer Benachteiligungen von den Pandemieauswirkungen betroffen. Hier gilt es Lösungen zu finden, um frühzeitig unterstützen zu können.

Gleichstellung LGBTIQ*

Inklusion, Integration und Gleichstellung aller Menschen ist das Ziel. Condrobs setzt sich dafür ein, dass diese Ziele weiterverfolgt werden. Hierzu gehört in besonderem Maße die gleichberechtigte Teilhabe, der Schutz sowie das Verständnis der Bedürfnisse von heteronormativen Menschen und LGBTIQ*. Nach wie vor bestehende Ungleichbehandlungen müssen durch die Politik identifiziert und beendet werden.

Eine veränderte Drogenpolitik

Beim diesjährigen Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher*innen [7] am 21. Juli stand die Änderung der aktuellen Drogenpolitik im Mittelpunkt. Eine zentrale Forderung: die Schaffung von Konsumräumen. Die Linie, die das Bundesland Bayern vertritt, steht der gemeinsamen EU-Drogenstrategie entgegen [8], die den Fokus auf Prävention, Behandlung und Schadensminderung legt. Ein Umdenken ist angebracht, um eine saubere, sichere Umgebung für Suchtmittelkonsumierende zu gewährleisten und Todesfälle auf diese Weise zu verhindern.

Auch die Fortführung und der Ausbau des erfolgreichen Naloxon-Modellprojekts [9] ist wesentlich. Durch den Erfolg des Projekts „Take-Home-Naloxon“, dessen Ergebnisse vor kurzem präsentiert [10] wurden, sind die Ausweitung und der Fortbestand durch das Anschlussprojekt „NalTrain“ nach jetzigem Stand gewährleistet. Dieser Fortschritt muss beibehalten werden.

Von entscheidender Bedeutung ist zudem das Thema Substitution. Hier müssen Maßnahmen ergriffen werden, um Ärzte für die Substitutionsbehandlung [11] zu gewinnen. Vor allem im ländlichen Bereich herrscht ein eklatanter Mangel an entsprechenden Ärzten.

Was zudem fehlt, sind adäquate Substitutionsprogramme für suchtmittelabhängige Inhaftierte in den bayerischen Justizvollzugsanstalten. Condrobs setzt sich für eine wissenschaftlich basierte Substitutionspraxis [12] in bayerischen Haftanstalten ein, die rechtliche Grundlagen und oberste Gerichtsurteile achtet.

Weiterführende Suchtmittel-Debatten

Einen Vorstoß in Sachen Änderung der aktuellen Drogenpolitik [13] gab es kürzlich durch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig. Sie hat in einem Interview den Vorschlag gemacht, den Besitz kleiner Mengen Cannabis nicht mehr strafrechtlich zu ahnden, sondern nur noch als Ordnungswidrigkeit zu bestrafen. Es muss künftig weitere Diskussionen geben, wie Konsumierende weiter entkriminalisiert werden können. Das Condrobs-Positionspapier [14] nimmt zu diesen Themen Stellung.

Darüber hinaus machte sich Daniela Ludwig für die Akzeptanz des Drug-Checking stark. Bei der in zahlreichen Ländern erfolgreich praktizierten Methode können Drogen zur Analyse abgegeben werden. Hierdurch wird der Konsum immer neuer synthetischer Drogen kontrollierbarer, mögliche lebensgefährliche Mischungen sind im Vorfeld erkennbar. Ein positiver und sehr wichtiger Zusatzeffekt des Drug-Checking ist, dass damit ein erster Kontakt zu Konsument*innen hergestellt wird, die durch das bestehende Präventions- und Hilfesystem bisher kaum erreichbar sind. Condrobs setzt sich dafür ein [15], dass flächendeckend Drug-Checking möglich sein muss.

Überdenken der Glücksspielneuregelung

Politisch auf die Agenda gesetzt werden muss dringend auch das Thema Glücksspielsucht. Zum 1. Juli trat in zahlreichen Bundesländern, darunter auch Bayern, der Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens (GlüStV 2021) in Kraft. Nach den Sportwetten wurde damit auch das Online-Glücksspiel legalisiert. Condrobs kritisiert gravierende Mängel zu Lasten des Spieler*innenschutzes. Die Neufassung des Glücksspiel-Staatsvertrags wird zu einer Zunahme der Glücksspielsüchtigen führen. Der eingeschlagene Weg wird von Condrobs kritisiert [16] und eine wiederholte Debatte zur gesetzlichen Regelung gefordert.