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50 Geschichten: Ein Feuerwerk von Erinnerungen

Dieser Beitrag erschien erstmals in der 20-Jahr-Chronik von Condrobs 1991 und stammt von Jutta Oxen, ehemalige Personal- und Organisationsreferentin bei Condrobs von März 1976 bis September 1981

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Siebeneinhalb Jahre Condrobs – ein Feuerwerk von Erinnerungen: harmonische Kugeltänze, erschreckende Knalleffekte, eine Kaskade heller Lichter, beunruhigende nachtschwarze Zwischenräume und das beständige Wiederauftauchen überraschender Farbenpracht.

Eine objektive Berichterstattung über die Vereinszeit von März 1976 bis September 1981 erwartet wahrscheinlich niemand von mir. Von einer, die aus der freien Wirtschaft kam, und der die psychosoziale Arbeitsatmosphäre anfangs so fremd um die Nase wehte, dass sie nach dem ersten Arbeitstag die Freunde siezte und den Kaufmann duzte; von einer, die im Verein als „Mädchen-für-alles“ immer eine Sonderrolle spielte, und die sich in alles, aber auch alles einmischt, wo es nicht gerade um die direkte Klientenarbeit ging.

Hunderte Geschichten könnte ich erzählen: Zum Beispiel wie die, die mit dem Einkauf von Kiloeimern Scheuermittel begann und damit endete, dass der VW-Bus samt Insassen in einem Acker hing. Oder zum Beispiel die Sache mit dem lieben Geld. In den ersten Jahren war es häufiger die Regel als die Ausnahme, dass ein beträchtliches Sommer- und Winterloch entstand. Die alten Zuschüsse waren aufgebraucht, die neuen noch nicht da, und in den Kassen herrschte extreme Ebbe. Gehälter gabs halt nicht bzw. Wochen verspätet und jeder Einzelne musste schauen, wie er dieses Problem für sich geregelt bekam. Wir verfielen auf die ausgefallensten Ideen. Einmal zum Beispiel sammelten wir über 300 DM von unserem persönlichen Geld, um den Super-Tipp im Lotto zugunsten des Vereins zu starten. Der arme Verantwortliche für die Auswahl der Zahlen war Toni. Anton-Toni-Gustav, wie ich ihn nannte, wohl weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass sich hinter dem mächtigen roten Rauschebart nur eine einzige Person verbarg. Die Glücksfee war leider zu diesem Zeitpunkt anderswo im Dienst.

Jedes der damaligen Jahre war davon geprägt, dass eine weitere Einrichtung geplant bzw. aufgebaut wurde: das Teehaus in der Türkenstraße, die Muspillistraße, Schloss Pichl, die „Brücke“ in Wortelstetten, die Beratungsstelle in Garmisch, das Nachsorgebüro in Augsburg.

Und das hieß immer wieder von vorne: Konzeptionen formulieren, um die Finanzierung kämpfen, Räume finden und einrichten von Bleistift über die Kopiermaschine, Sitzmöbel etc. und Mitarbeiter suchen. Letzteres war eine überwiegend erfreuliche Aufgabe. Meist standen schon eine(r) oder mehrere in den Startlöchern, die – lange bevor sie vom Verein das erste Gehalt bekamen – mithalfen bei der Realisierung des neuen Projektes.

Das Teehaus in der Türkenstraße war für mich die Einrichtung mit der schönsten „Innenarchitektur“. Maximal-praktisch und phantasievoll-schön musste alles sein. Bis ins letzte Detail vermittelte das Interieur den Besuchern, wieviel aufmerksame Überlegungen sie wert waren, und jedes Teil war dazu da, die Neugier auf die eigene Kreativität, die eigene Fähigkeiten zu wecken.

Jur, der immer den Eindruck auf einen machte, dass er durch nichts aus der Ruhe zu bringen sei, blieb auch am Tag nach dem Teehaus-Brand ruhig. Sein Mund war etwas schmaler, sein Gesicht grauer. Eigentlich war es gar kein richtiger Brand; eine infernalische Hitze hatte alles verkohlt und zum Schmelzen gebracht, sogar die Glühbirnen verformt und die Elektrokabel verschmort. Das Schicksal – oder wer immer sonst dafür zuständig ist – war insoweit gnädig, als in diesem Jahr keine neue Vereins-Einrichtung aufgemacht wurde, sodass wir uns auf den Wiederaufbau des Teehauses konzentrieren konnten.

Schloss Pichl, gezeugt am 17. November 1976 auf einer Klausur in einer Berghütte in den Alpen. Wir wollten eine eigene stationäre Einrichtung; eine die ganz anders war, als die, die es gab. Unsere damaligen Tagträume müssen uns Flügel gegeben haben, sonst hätten wir die zahlreichen und massiven Schwierigkeiten kaum überwinden können.
So zum Beispiel die am 11. September 1979 bei der Pichler Bürgerversammlung. Mit allen Mitteln wollten die Pichler verhindern, dass eine Drogeneinrichtung in ihren geordneten Ort kommt, und wir sahen uns schon hilflos aufgespießt auf Heugabeln zappeln. Mit enormer Überzeugungskraft und Hilfe des sorgenverdünnenden Bieres schieden wir als Freunde.

Genug der legendären Episoden des Feuerwerks. Zum Schluss noch einige Blitzlichter, die ich meinen damaligen Notizen entnommen habe.

Auch solches gehört zu dieser Zeit, die uns beeinflusst hat: 16. Oktober 1976 „Ultimatum Schleyer“.  17. Oktober „Geiselnahme“. 18. Oktober „Selbstmorde in Stammheim“.

Juli 1977 „Umstellung von Journalbuchhaltung auf EDV gelungen“.
12. Februar 1978 „Erstes Großteam (heute Vereinsgremium) in der Muspillistraße“.
22. April „Umzug der Kanzlei in die Franz-Joseph-Straße; Axel behält seine Mittelpunktzimmer bei uns“.
12. November 1979 „Der erste Bewohner in Pichl“.
23. Dezember 1980 „Pichl gekauft“.
19. August 1981 „Quartalsknatsch mit den Leitungsmännern. Vereinsfrauen, wo seid ihr?“
21. September „Start des von uns organisierten Drogen-Kongresses in Augsburg“.
21. Dezember „Lahme 10-Jahresfeier im Scheideckergarten“.
4. November 1982 „Jugendwohlfahrtsausschuss in Garmisch. Sieg! Geld bewilligt“.
2. September 1983 „Abschiedstag. Es war schön, aufregend und liebevoll!“