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50 Geschichten: Vom „Fremden“ bis zum Münchner Volkstheater

Dieser Beitrag erschien erstmals 2020 und stammt aus dem Integrationsprojekt Kistlerhofstraße. [1] 

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A. lebt seit Dezember 2015 im Integrationsprojekt Kistlerhofstraße. Ein junger Bewohner der fast ersten Stunde.

Zu diesem Zeitpunkt sprach A. ein wenig Deutsch und war seit einem Jahr in Deutschland. 2016 machte er erfolgreich seinen Mittelschulabschluss und fand über ein von uns vermitteltes Praktikum eine Lehrstelle als Veranstaltungstechniker im Münchner Volkstheater.

Mittlerweile ist A. ein Theatermensch geworden, stolz auf jede gelungene Premiere, die erfolgreich auf die Bühne gebracht wird. So landete A. auf dem Cover des offiziellen Quartalsheftes des Volkstheaters (© Münchner Volkstheater).

Ein Gespräch über seinen Weg, seine Liebe zum Theater und über Deutschland:

Du wohnst seit 2015 im Integrationsprojekt Kistlerhofstraße, wo Student*innen und Geflüchtete zusammenleben, sich austauschen und voneinander lernen. Was ist die wichtigste Sache, die Du im Integrationsprojekt gelernt hast?
A.: Ich habe viel gelernt hier. Es ist schwer zu sagen, was das Wichtigste ist. Am ehesten habe ich gelernt, mit den unterschiedlichsten Menschen umzugehen. Zu Beginn haben wir sehr viel mit den Student*innen zusammen gemacht, viel Spaß gehabt und auch zusammen Feste gefeiert, im Sommer gegrillt usw. Später kamen neue Studierende ins Haus, die „alten“ sind weggezogen. Ich bin immer noch mit den früheren Bewohner*innen befreundet und treffe mich mit einigen regelmäßig. Heute gibt es weniger Einladungen von den Studierenden – es ist nicht so einfach Kontakt herzustellen, wenn es keine Einladungen gibt.

Gibt es etwas, das Du Deinen Mitbewohner*innen beigebracht hast?
A.: Ich habe vielen beigebracht wie man afrikanisch kocht – sowohl den Menschen, die hier arbeiten, als auch studentischen Mitbewohner*innen.

Wie bist Du zur Veranstaltungstechnik gekommen?
A.: Das kam alles über das Integrationsprojekt. Es war eine Mitarbeiterin hier, die hatte Kontakte zum Volkstheater. Dann habe ich dort drei Wochen Praktikum gemacht und mich im Anschluss auf eine Ausbildungsstelle als Veranstaltungstechniker beworben – und sie haben mich genommen!

Du bist seit 2016 beim Volkstheater beschäftigt. Was ist Dein Traumjob im Theater und warum?
A.: Ton und Video – Das macht mir richtig Spaß! Ich will richtig lernen, Bits zu produzieren. Ich kann dann auch später Musikvideos für befreundete Musiker*innen machen, die sich das selber so noch nicht leisten können.
Licht finde ich auch toll. Aber die Lichttechnik ist sehr schwer in der Theorie zu lernen. Die praktische Arbeit im Theater ist leichter für mich, aber die Schule ist schwer. Und es hängt auch immer vom Chef ab, ob etwas anstrengend oder leicht zu lernen ist.

Hast Du vor Aufführungen noch Lampenfieber?
A.: „Lampenfieber“ ist ein sonderbares Wort. (Anmerkung der Redaktion: Wir recherchieren woher der Begriff kommt – die Erklärung von den alten Gaslampen, die eine enorme Hitze auf der Bühne produzierten, lässt A. schmunzeln, da er sich das gut vorstellen kann).

Ja, vor den Premieren sind im Theater alle aufgeregt – da ist so eine spezielle Stimmung im Haus. Ich bin dann auch aufgeregt, frage mich, ob wohl alles klappt und gut läuft? Mit der Premiere kommt dann aber auch die große Erleichterung. Und die Premierenfeiern sind immer toll und wichtig für alle. Man ist gemeinsam stolz.

Gehst Du in deiner Freizeit auch gerne ins Theater?
A.: Ich bin bei allen Premieren im Volkstheater dabei, gehe aber nicht in andere Theater. Ich habe ja viele Spätschichten, dann genieße ich es, wenn ich frei habe, eher etwas mit Freunden zu machen. Das ist mir sehr wichtig.

Wenn Du selbst Regisseur wärst, was würdest Du auf die Volkstheater Bühne bringen? Welche Geschichte willst Du erzählen und warum?
A.: Eine Geschichte über Freiheit! Und wie Menschen miteinander umgehen. Jeder Mensch braucht Freiheit – jeder hat ein Recht auf Freiheit, solange er niemanden damit schadet!

Wie erlebst Du Deutschland?
A.: Ich erlebe Deutschland ganz gut! (lange Pause) Ich habe hier viel für die Zukunft gelernt. Zuerst war ich ein Fremder.

Fühlst Du Dich immer noch als Fremder?
A. (überlegt lange): Nein, jetzt nicht mehr.

Was ist für Dich typisch deutsch?
A.: Das Wort „Servus“ ist für mich typisch deutsch. Außerdem hört man in Deutschland eher Rockmusik, weniger Rap. Und die Deutschen sind immer so zurückgenommen. Wenn Du nicht auf sie zugehst, kommen sie nicht zu Dir. Die Menschen in Deutschland sind so… gerade.

Was sind Deine Pläne für die Zukunft?
A.: Pläne für meine Zukunft sind: Einen guten Abschluss zu machen, gutes Geld verdienen, eine Familie gründen, eine gute Wohnung finden. Außerdem wäre es schön, eine Stelle im Theater im Ton-/Video-Bereich zu finden. Ich arbeite sehr gerne im Theater. Da sind so tolle Menschen!