Seit 1984 hat Birgitta Kraatz-Maček – kurz: Gitta – Condrobs in verschiedenen Positionen mitgeprägt. Die Suchtberatung in Justizvollzugsanstalten wurde Stück für Stück ihr „Fachgebiet“. Ab dem Jahr 2000 fungierte Gitta als Leitung der Externen Suchtberatung. Nach 39 Jahren bei Condrobs hat Gitta sich in den verdienten Ruhestand verabschiedet. Wir haben ihr zuvor noch ein paar Fragen gestellt.
Wie waren Deine Anfänge bei Condrobs?
Im Juni 1984 habe ich als junge Sozialpädagogin in unserer Drogenberatungsstelle in der Konradstraße die Arbeit aufgenommen. Condrobs war damals noch ein kleiner Verein mit einer Handvoll Einrichtungen, wir Kolleg*innen kannten uns untereinander. Mich überzeugten das Selbstverständnis, das gemeinsame Menschenbild und der innovative Geist im Verein. Ich konnte mich von Anfang an aktiv einbringen und mitgestalten, kritische Fragen zu stellen, sozialpolitisch unbequem zu sein war in Ordnung.
Die vorwiegend jungen Hilfesuchenden mit ihren Bedarfen standen im Mittelpunkt, gab es kein passendes Angebot leisteten wir unbürokratisch Hilfe und entwickelten neue Konzepte. In meiner Zeit in der Konradstraße brachten wir Berater*innen z.B. „Prima Donna“, unsere sozialtherapeutische Frauen*wohngemeinschaft, mit auf den Weg.
Was waren Deine größten Erfolge, woran erinnerst Du Dich besonders gerne?
Es gibt das Sprichwort „Im Knast scheint die Zeit still zu stehen“ – im Rückblick hat sich doch einiges bewegt. Wir haben unsere Angebote zielgruppenspezifisch ausbauen können, exemplarisch dafür steht unser differenziertes Gruppenangebot oder die breit angelegte Vermittlungstätigkeit im Übergang. Der Justizvollzug hat sich dem komplexen Thema „Sucht“ stärker geöffnet. Eine bedarfsgerechte Substitutionstherapie für opioidabhängige Klient*innen ist inzwischen fester Bestandteil der Krankenbehandlung im Vollzug. 2019/20 wurden im Rahmen eines Bayerischen Modellprojekts Naloxon Schulungen durchgeführt, den Teilnehmer*innen mit Haftentlassung ein Naloxon Nasenspray ausgehändigt.
Die erste Schulung bundesweit wurde von Condrobs in der Frauenhaftanstalt gestaltet – dieser Erfolg aus der jüngeren Zeit ist mir besonders wichtig. Immer wieder hatten wir von Klient*innen gehört, die nach Haftentlassung an einer Überdosis verstorben waren. Das neue Angebot kann Leben retten!
Was war Deine größte Herausforderung?
Die Herausforderung in der Externen Suchtberatung war/ist eine stetige. Wir bewegen uns als externer Kooperationspartner im geschlossenen System des Justizvollzugs und benötigen für unsere Arbeit eine gute Abstimmung mit der Justiz, den Kostenträgern und Einrichtungen der Suchthilfe.
Reibungspunkte liegen in der Natur der Sache, wenn Akteur*innen aus unterschiedlichen Systemen aufeinandertreffen. Es braucht eine gehörige Portion Diplomatie sowie Beharrlichkeit und Standfestigkeit, um das eigenständige Profil der Externen Suchtberatung zu halten und immer wieder aufs Neue für die Belange suchtkranker Straftäter*innen einzutreten. Aktuell besteht die große Herausforderung, das sinnvolle Prinzip „Therapie statt Strafe“ zu bewahren, nachdem die Krankenkassen mit Hinweis auf ein Urteil des Bundessozialgerichts die Übernahme der Kosten einer Entwöhnungsbehandlung im Rahmen des § 35 BtMG ablehnen. Die gesetzliche Regelung des § 35 BtMG droht damit in seiner Anwendung ausgehebelt zu werden – eine Errungenschaft, die nunmehr seit 40 Jahren in Kraft ist und einen wichtigen Beitrag zur Resozialisierung suchtkranker Inhaftierter leistet.
Dein Resümee nach 39 Jahren Condrobs?
Condrobs ist inzwischen ein großer Träger für soziale Hilfsangebote an unterschiedlichen Standorten in Bayern. Schon lange kenne ich nicht mehr jede Einrichtung, geschweige denn all die engagierten Kolleg*innen. Vieles hat sich verändert – der Verein erhebt aber immer noch seine Stimme, ergreift Partei für Menschen, die ausgegrenzt sind, weist auf Bedarfslücken hin und zeigt damit gesellschaftliche Verantwortung. Das war/ist es, was mich so lange bei Condrobs gehalten hat.