Condrobs-Frauensalon: Dritte Ausgabe diskutiert Rechtsruck

22. März 2019
Condrobs-Frauensalon: Über 90 Frauen diskutieren über den Rechtsruck in Europa*

Am 19. März 2019 versammelten sich über 90 Frauen* beim Condrobs-Frauensalon in der Drehleier in München, um einen engagierten und inspirierenden Abend zu erleben. Im Mittelpunkt stand die Frage: „Rechtsruck in Europa – was bedeutet das für uns Frauen?“*

Einigkeit herrschte darüber, dass frauenfeindliche Tendenzen in vielen europäischen Ländern, in denen Rechtspopulisten an der Macht sind, besorgniserregend sind. Viele Teilnehmerinnen* äußerten ihre Unsicherheit darüber, wie diesem Rechtsruck begegnet werden kann. Doch es gab auch Lösungsansätze. Münchens dritte Bürgermeisterin Christine Strobl rief dazu auf, für die Beteiligung an der bevorstehenden Europawahl zu werben und demokratische Parteien zu stärken. Sie warnte davor, dass ein massiver Rechtsruck auch im Europäischen Parlament droht und es nicht den europafeindlichen Rechtspopulisten überlassen werden dürfe, ihre Wählerschaft zu mobilisieren.

Gegen Diskriminierung und Bedrohung behaupten

Neben politischem Engagement betonten die Frauen* die Bedeutung von Zivilcourage und Solidarität. Sich gemeinsam für feministische Ziele einzusetzen, gegen Rassismus und Antifeminismus aktiv zu werden und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern, wurde als essenziell erachtet. Auch Selbstverteidigungskurse wurden als Möglichkeit genannt, das eigene Selbstbewusstsein zu stärken und sich gegen Diskriminierung und Bedrohung zu behaupten.

Der Condrobs-Frauensalon bietet Frauen* eine Plattform für ihre Anliegen – das unterstrich auch Eva Egartner, Geschäftsführende Vorsitzende von Condrobs. Im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus setzt Condrobs ein klares Zeichen gegen Ausgrenzung und antidemokratische Tendenzen. Auch Katrin Bahr, Bereichs-Geschäftsführerin für Angebote für Frauen* und Männer* in München, verwies auf das Condrobs-Positionspapier, das zu diesem wichtigen Thema verfasst wurde.

Der Condrobs-Frauensalon bleibt eine starke Stimme für Gleichberechtigung, soziale Gerechtigkeit und Demokratie.

„Als bayernweiter Anbieter sozialer Hilfsangebote ist es uns ein Anliegen, durch Sensibilisierung und Information einen aktiven Beitrag dazu zu leisten, den zunehmenden diskriminierenden Äußerungen im Alltag, in der Politik, im beruflichen oder privaten Umfeld klar zu begegnen und Solidarität mit dem oder den Opfern zu zeigen. Die zentralen Werte von Condrobs sind Vielfalt, Offenheit und Akzeptanz.“

Moderatorin Özlem Sarikaya, die ebenso charmant wie professionell durch den FrauensalonAbend leitete, betonte:

„Wir sprechen beim Frauensalon auch für die Frauen, die nicht in der Öffentlichkeit für sich selbst sprechen können und tragen dazu bei, unsere gemeinsamen Werte nach draußen zu tragen.“

Kabarettistin Maria Peschek bot in ihrer Paraderolle als Paula Pirschel überraschende und humorvolle Einblicke in das Seelenleben einer bayerischen Frau, und AMI Warning bereicherte den Abend mit nachdenklichem, wunderbar weiblichem Soul mit Herz und Gitarre.

Ihren Impulsvortrag während des 3. Condrobs-Frauensalon leitete Nicole Lassal, Leiterin der Gleichstellungsstelle für Frauen der Landeshauptstadt München, mit einem Zitat der französischen Schriftstellerin und Philosophin Simone de Beauvoir ein:

„Vergesst nie, dass eine politische, wirtschaftliche oder religiöse Krise genügt, um die Rechte der Frauen infrage zu stellen.“

Europa sei lang Motor der Gleichberechtigung und des Gender Mainstreaming gewesen durch die Verabschiedung zahlloser rechtlich bindender Konventionen. Dies aber gerate in Gefahr durch das europaweite Erstarken nationalistischer, rechtpopulistischer Parteien. Sie propagierten ein patriarchalisches System, das die Rechte der Frauen beschneide. Angriffe gegen Feministinnen nehmen besorgniserregend zu. Der Feminismus werde von Nationalisten instrumentalisiert in einer Doppelmoral: unter dem Deckmantel des „Schutz der Frauen“ werde gegen Einwanderung insbesondere muslimischer Männer polarisiert. Faktisch aber würden derzeit Ressourcen für Frauenhäuser, Frauenprojekte und -forschung gekürzt. Neue Frauenproteste in zahlreichen Ländern seien ein Hoffnungsschimmer der Solidarität. „Daran müssen wir anknüpfen!“ forderte Lassal.

Nuschin Rawanmehr, Koordinatorin der Münchner Netzwerk-Initiative „Frauen der Welt“, rief dazu auf, insbesondere Migrant*innen zu stärken, um damit Rassismus wirksam entgegenzutreten und zitierte dazu die marokkanische Feministin Fatima Mernissi:

„Wenn ich eine westliche Feministin treffe, die glaubt, dass ich ihr für meine Entwicklung im Feminismus dankbar sein muss, dann zweifele ich zwar nicht an der Zukunft der internationalen Solidarität der Frauen, aber ich zweifele an der Fähigkeit des westlichen Feminismus, soziale Bewegungen aufzubauen, die in der Lage sind, einen strukturellen Wandel in den Zentren ihres eigenen industriellen Imperiums herbeizuführen. Eine Frau, die sich als feministisch bezeichnet, weil sie sich ihrer Situation bewusst geworden ist, sollte sich fragen, ob sie dies mit Frauen aus anderen sozialen Klassen ihrer eigenen Kultur teilt, anstatt sich überlegen zu fühlen gegenüber Frauen aus anderen Kulturen.“

Gülseren Demirel, Landtagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, mahnte an, es müsse der neuen Enthemmung unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit von Rechtspopulist*innen auch im bayerischen Landtag etwas entgegengesetzt werden. Sie lasse sich von AfD-Angeordneten nicht niederbrüllen:

„Mein Motto ist: Jetzt erst recht! Unsere Frauenstimmen, und gerade die von Frauen mit Migrationshintergrund, müssen lauter werden, damit wir allen zeigen können, wie ein friedliches Zusammenleben ohne Ausgrenzung und Feindbilder funktioniert. Wir setzen uns ein, damit Bayern weltoffen und demokratisch bleibt!“

Dr. Miriam Heigl, Leitung Fachstelle für Demokratie, Landeshauptstadt München, machte sich dafür stark, eine Vision für ein neues „Wir“, einen nächsten Schritt der Identität als Frau im gemeinsamen Kampf gegen Rassismus zu gehen.

Evelyn Buck, Mitglied der israelitischen Kulturgemeinde München, schilderte auf dem Condrobs-Frauensalon eindrucksvoll ihre Kindheit als Tochter der einzigen Holocaust-Überlebenden ihrer Familie. Buck betonte, die BRD habe ihre Hausaufgaben gemacht und sie habe bisher als Jüdin in Deutschland gut gelebt. Der Antisemitismus aber habe in jüngster Zeit sehr zugenommen, ein Rückschritt sei deutlich spürbar – eine Entwicklung, die ihr Angst mache. Und die Deutschen müssten lernen, nicht alle Juden für die Politik in Israel verantwortlich zu machen.

Rebecca Schreiber, Leiterin der Asylsozialberatung der Frauenunterkunft des Paritätischen Kooperationsprojekts unter der Leitung von Condrobs, berichtete aus dem Alltag der geflüchteten Frauen, die ebenfalls fast täglich rassistische Konflikte erlebten. Schreiber appellierte an die Anwesenden, schon ein Lächeln von Frau zu Frau auf der Straße sei ein Zeichen der Wahrnehmung und Solidarität.

FDP-Landtagsabgeordnete Julika Sandt, ermutigte Frauen* zu Zivilcourage:

„Die rechte Medienblase gefährdet unsere Freiheit, unsere Emanzipation und Selbstbestimmung. Nie war es leichter, frauenfeindliche und diskriminierende Äußerungen unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit kundzutun. Menschenverachtende Meinungen dürfen keinen Platz in einem modernen und zukunftsgerichteten Europa haben. Wir brauchen Zivilcourage, gerade auch im Netz. Nur wenn wir in die Medienblase der Rechten hineinstechen, bringen wir sie zum Platzen.“

Die Besucher*innen des 3. Condrobs-Frauensalon waren sich einig: Es war ein kurzweiliger, aber auch nachdenklicher Abend, der nicht alle Fragen beantworten konnte und wollte. Er gab jedoch wertvolle Denkanstöße und Anregungen, wie Frau* sich in Bezug auf rassistische und frauenfeindliche Haltungen positionieren kann.

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