Dawits Flucht, Sucht und Neuanfang
Eine traumatisierende jahrelange Flucht aus Eritrea. Ein schwieriges Ankommen und der Fall in die Sucht. Und dank Condrobs ein Weg in eine sichere Zukunft. Dawit erzählt seine Geschichte.
München, 23. Juli 2020 – Durch den Mund-Nasen-Schutz hindurch erkennt man sofort Dawits* aufmerksames Lächeln. Im Beratungszimmer von easyContact Betreutes Wohnen für junge Erwachsene in München fühlt sich der junge Geflüchtete sich sichtlich wohl. Er begrüßt Einrichtungsleiterin Sviatlana und seinen Betreuer Lutz und bietet allen ein Glas Wasser an. Nur, dass er seine für einen heißen Junitag viel zu dicke Lederjacke anbehält, wirkt etwas unbequem: „Ich bin so dünn, ich trag die immer“, lacht er.
Dawit ist noch im Arbeitsmodus. Er berichtet Sviatlana vom Stress seines Alltags in der Bäckerei. „Ich wollte immer Verkäufer sein,“ erzählt er mir. Diese Stelle, auch wenn sie manchmal anstrengend sei, sei ein perfekter Start in die richtige Richtung.
„In Libyen war das schlimmste Leben!“ – Jahrelange Flucht aus Eritrea
Bereits 2013 machte sich Dawit auf den Weg. Die Unterdrückung durch das Regime und die Bildungsarmut trieben den damals minderjährigen Eritreer zu dieser Entscheidung. Es folgt eine Odyssee: „Es ist schwierig, mir zu merken, wie lange ich in den Ländern war. Es hat von 2013 bis August 2014 gedauert, bis ich herkam.“
Teils zu Fuß, teils auf überladenen Schlepper-Pickups schafft er es beim ersten Anlauf über den Sudan bis nach Ägypten. An der ägyptisch-libyschen Grenze dann die Verhaftung: 4 Monate verbringt er unter Hunger und Misshandlungen im Ägyptischen Gefängnis, bevor man ihn nach Äthiopien deportiert. Von dort aus startet Dawit den zweiten Versuch seiner Route. Diesmal schafft er es bis nach Libyen. Über zwei Monate lang verstecken Schlepper ihn in einem fensterlosen Haus, um mehr Geld von Dawits Verwandten zu erzwingen. Auf die Frage, wie er über Rücksendeaktionen vom Mittelmeer nach Libyen denkt, insistiert Dawit: „Ich finde das schlimm. Es gibt Schläge und Hunger. In Libyen ist das schlimmste Leben. Die wissen, wie man Menschen schlagen kann, damit sie Geld bezahlen.“
Auf einem überfüllten Schlauchboot schafft es Dawit bis nach Italien. War Deutschland von Anfang an sein Ziel? Er verneint. Zuerst, noch in Eritrea, wollte er nach England. Dann nach Schweden. Deutschland kam nie in Frage: „Ehrlich gesagt, in Geschichte haben wir auch immer gelernt, was in Deutschland früher gelaufen ist. Wir hätten nie gedacht, dass es jetzt so ist,“ erklärt er.
Es war Solidarität und Hilfsbereitschaft, die ihn schließlich hier bleiben ließen: „Ich hab in Libyen eine Frau kennengelernt. Sie war schwanger und hat kein Geld gehabt. Also ich musste ihr helfen. Ich hab‘ 200 Dollar gehabt. Wir sind zusammen hier am Hauptbahnhof München ausgestiegen und sie sagte mir, ich soll nicht nach Schweden, weil sie auch alleine war und schwanger.“ Als blieb Dawit und suchte gemeinsam mit seiner schwangeren Bekannten in Deutschland um Asyl an.
„Ich hab‘ viel Stress gemacht“ – Ein schwieriges Ankommen
Seine Zeit als Asylwerber brachte Dawit nicht die ersehnte Ruhe. Restriktionen in Unterkünften, zu viele und schwer nachvollziehbare Transfers in Unterkünfte ohne Perspektiven und manipulative Helfer*innen machen das Ankommen für den jungen Mann schwer. Zwei Jahre verbrachte Dawit in einer Containerunterkunft in Oberschleißheim. Er berichtet von Bevorzugung, Enttäuschung und einer toxischen Beziehung mit einer freiwilligen Helferin. Statt ihm den Rat zu geben, den er braucht, fühlt sich Dawit ausgenutzt und oft hintergangen. „Ihre Hilfe – es war nur Show!“, sagt er heute noch aufgebracht. Allein gelassen und enttäuscht, rutscht Dawit ab. Er beginnt, Alkohol und Drogen zu konsumieren und schlittert in die Schuldenfalle.
„Deutsch hab ich echt auf der Straße gelernt“ – Misstrauen und echte Hilfe
Trotz seines Konsums schaffte es Dawit zu dieser Zeit, beeindruckend schnell Deutsch zu lernen. „Deutsch hab‘ ich echt auf der Straße gelernt. Ich habe mit jedem Menschen auf der Straße gesprochen, obwohl ich’s gar nicht konnte. Ich wusste, dass ich irgendwann sprechen kann,“ erzählt er heute stolz. Das neu entstandene Misstrauen gegenüber Helfer*innen und Lehrer*innen blieb aber. Lob für sein Talent in der Schule stößt daher zuerst auf Skepsis: „Ich hab nicht verstanden, dass ich gut bin und ich Dinge schnell lernen kann.“
Erst in der Schlauschule, einem schulanalogen Unterricht für junge Geflüchtete, findet er wirklich Hilfe. Die Lehrer*innen vor Ort unterstützen Dawit dabei, aus dem manipulativen Umfeld in der Unterkunft zu entkommen und erkennen sein Suchtproblem. Sie sind es schließlich, die Sviatlanas Nummer wählen und für Dawit einen Termin mit easyContact Betreutes Wohnen vereinbaren.
„‘Es gibt Condrobs, die können dir helfen‘“
– Unterstützung von easyContact Betreutes Wohnen
„Es gibt Condrobs, die können dir helfen“, erklären ihm die Schlauschule-Lehrer*innen. So startete Dawit mithilfe von Lutz, seinem neuen Betreuer,, also sein Programm bei easyContact Betreutes Wohnen für junge Erwachsene in München. Von Anfang an weiß er aber, es gibt keinen einfachen Weg aus der Sucht: „Man kann nicht einfach so mit Drogen aufhören. Nur, wenn man wirklich Interesse hat und ein gutes Leben haben will.“
„Ich bin jetzt ganz weg von Drogen, Gott sei Dank“ – Ein Neustart
*Name zum Schutz des Klienten geändert