Schulungsprojekt Take-Home-Naloxon rettet Leben

10. September 2021
Hinten von links: Bernhard Seidenath (MdL, Vorsitzender des Arbeitskreises Gesundheit und Pflege), Heike Wodarz-von Essen (Koordinatorin Projekt „BayTHN – Take-Home-Naloxon in Bayern“), Frederik Kronthaler (Condrobs Vorstand), Olaf Ostermann (Condrobs Abteilungsleitung Angebote für Ältere und niedrigschwellige Hilfen München) Vorne von links: Klaus Holetschek (Bayerischer Gesundheitsminister), Daniela Ludwig (Drogenbeauftragte der Bundesregierung), Katrin Bahr (Condrobs Vorständin)
Hinten von links: Bernhard Seidenath (MdL, Vorsitzender des Arbeitskreises Gesundheit und Pflege), Heike Wodarz-von Essen (Koordinatorin Projekt „BayTHN – Take-Home-Naloxon in Bayern“), Frederik Kronthaler (Condrobs Vorstand), Olaf Ostermann (Condrobs Abteilungsleitung Angebote für Ältere und niedrigschwellige Hilfen München)
Vorne von links: Klaus Holetschek (Bayerischer Gesundheitsminister), Daniela Ludwig (Drogenbeauftragte der Bundesregierung), Katrin Bahr (Condrobs Vorständin)

Wissenschaftlicher Bericht bestätigt Erfahrungen

Im Oktober 2018 startete das Modellprojekts „BayTHN – Take-Home-Naloxon“ in Bayern. Nun stellten u.a. Daniela Ludwig, Drogenbeauftragte der Bundesregierung, und Klaus Holetschek, bayerischer Staatsminister für Gesundheit und Pflege, im Kontaktladen limit von Condrobs e.V. den Abschlussbericht vor. Die von Heike Wodarz-von Essen, Koordinatorin des Projekts, präsentierten Ergebnisse waren eindeutig: die Naloxon-Verabreichung ist lebensrettend und kann durch die vielen Gebraucher*innen, die sich schulen ließen, besonders effektiv eingesetzt werden. Klar wurde auch, dass es dabei ohne die Suchthilfe nicht geht, denn das Vertrauensverhältnis ist für ein Funktionieren die Basis.  

Naloxon ist ein Gegenmittel zu Opiaten wie Heroin, Fentanyl oder Methadon. Es hebt die Wirkung dieser Drogen für 40 bis 60 Minuten auf – ein entscheidendes Zeitfenster. Bei einer Überdosis verlangsamt sich die Atmung stark oder setzt ganz aus, Betroffene werden bewusstlos und schweben in akuter Lebensgefahr. Neben bekannten Wiederbelebungsmaßnahmen kommt hier Naloxon zum Einsatz: Das Mittel wird als Nasenspray verabreicht, es beschleunigt die Aufwachphase und Atmung, Betroffene kommen wieder zu Bewusstsein. So können sie die kritische Phase der Überdosis überwinden.

„Wir bei Condrobs wollen Leben sichern, das ist unser täglicher Auftrag.“

Begrüßt wurden die Anwesenden von Condrobs-Vorständin Katrin Bahr. In ihrer Rede machte sie die Bedeutung des Erfolgs des Projekts deutlich: „Sucht ist eine schwere, chronische Erkrankung mit komplexen Problemkonstellationen, die bis zum Tod führen kann. Aufgabe der Drogenpolitik und der Suchthilfe muss es daher sein, Leben zu retten und zu bewahren. Wir begrüßen sehr, dass Bayern das Modellprojekt Naloxon erfolgreich durchgeführt hat und auch plant es fortzusetzen. Dieser Entschluss ist lebenssichernd für viele Drogengebraucher*innen und hat sich nachweislich bewährt.“

„Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen an ihren Erkrankungen sterben, solange es Maßnahmen gibt, dies zu verhindern.“

Dies, so Bahr, seien aber bei weitem nicht ausreichend überlebenssichernde Maßnahmen: „Eine weitere wichtige Gesundheitsmaßnahme ist Drug-Checking, also die legale Möglichkeit der Drogenanalyse für Konsument*innen. Zudem brauchen wir Drogenkonsumräume auch in Bayern. Drogenkonsumräume schützen und retten Leben. Europaweit weisen viele Städte überzeugende Erfolge durch Drogenkonsumräume auf:

Die Todeszahlen sinken, der Drogenkonsum in der Öffentlichkeit wird reduziert, Drogenkonsumräume sind ein Mittel der Prävention des Drogenhandels und zusätzlich steigt das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung.“

„Wir brauchen spezialisierte Angebote.“

Dass die Effektivität von Naloxon durch das Projekt nachgewiesen werden konnte, betonte auch Staatsminister Klaus Holetschek: „Naloxon schwächt die Wirkung, kann eine Überdosierung und damit den Drogentod verhindern.“ Der Staatsminister weiter: „Das Ergebnis war durchweg positiv: 537 Geschulte, 176 Notfallschulungen und insgesamt 93 Drogennotfälle, in denen Naloxon von Schulungsteilnehmerinnen und -teilnehmern erfolgreich eingesetzt werden konnte. […] Und deswegen profitieren wir von diesem Projekt in hohem Maße und ich bin felsenfest überzeugt, dass es bei uns auch in Zukunft ein fester Bestandteil der Drogenhilfe sein wird und auch eingesetzt wird.“

Klaus Holetschek wies darüber hinaus darauf hin, dass eine Fortführung des Projekts eminent wichtig ist.

„Es muss weniger um Ideologien gehen, sondern mehr um den Menschen.“

Auf die Weiterführung und den Ausbau des Projekts ging anschließend Frau Daniela Ludwig ein: „Ich freue mich sehr, heute verkünden zu dürfen: Das Modellprojekt Naloxon war ein voller Erfolg, es hat sich sehr gelohnt, es zu machen!“

Dass es sich auch nicht nur um einmaliges, regionales Projekt handelt, machte Ludwig deutlich: „Ich freue mich sehr, dass es gelungen ist, dieses Projekt auch deutschlandweit auszurollen. Nur so kann letztlich eine erfolgreiche Drogenpolitik funktionieren. Denn wir können ja nicht immer in Modellprojekten hängenbleiben. Dass es uns jetzt gelingt, mit den guten Erfahrungen aus Bayern rauszugehen in die Bundesrepublik […] und flächendeckend jetzt Schulungen anzubieten und das Projekt auszurollen, ist eine wahnsinnig wichtige Botschaft auch an die Community.“

„Das Thema Substitution ist eine Herzensangelegenheit.“

Den Anlass nutzte Daniela Ludwig, um neben der Werbung für die Fortführung sowie den Ausbau des Naloxon-Projektes ein weiteres wichtiges Thema anzusprechen: „Das zweite Thema neben Naloxon, von dem ich hoffe, dass wir sehr stark reüssieren werden bundesweit in den nächsten Jahren, ist natürlich das Thema Substitution. Da bin ich nicht zu 100 % zufrieden mit dem, was wir leisten. Das hat unterschiedliche Gründe. Es gibt immer weniger Ärzte, die bereit sind, diese Therapie in ihren Praxisalltag zu integrieren.“

„Wir müssen Menschen Hilfe anbieten, wenn sie uns darum bitten.“

Daniela Ludwig weiter: „Da mach ich aber niemandem einen Vorwurf. Ich möchte aber von hier aber nochmal einen ganz dringenden Appell senden: die Substitution ist eine höchsteffektive Therapie.“ Die Wichtigkeit einer funktionierenden, ausgebauten Substitutionspraxis stellte Ludwig auch in der Folge deutlich heraus: „Ich bin im Moment dabei, mit einer bundesweit angelegten Kampagne in die Ärzteschaft reinzugehen. Damit wir dort nochmal dafür werben, sich des Themas Substitution anzunehmen.“

„Ohne Gesetzesänderung kein Drug-Checking-Modellprojekt möglich.“

Im Anschluss an die Veranstaltung äußerte sich Daniela Ludwig zudem zum Thema Drug-Checking. Wie bereits im Interview mit dem RND betonte sie auch hier wieder die Sinnhaftigkeit dieser Praxis. Allerdings müsse dafür das Betäubungsmittelgesetzt geändert werden, wofür es nach jetzigem Stand leider keine Mehrheit gibt. Aus diesem Grund sei, so Ludwig, auch ein örtlich begrenztes Modellprojekt derzeit nicht möglich.

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