Ein Nasenspray als Lebensretter
Bei einer Überdosis muss es schnell gehen. Notarzt rufen, Erste Hilfe leisten, Naloxon geben. Der Kontaktladen limit bildet Opiat-Konsument*innen zu Lebensretter*innen aus. Wir waren dabei!
Plakate, Booklets und Flyer hängen überall im Kontaktladen limit von Condrobs: „Leben retten mit Naloxon“, dazu ein Bild eines Nasensprays vor einem roten Kreuz. Wie man mit dieser Ampulle im Ernstfall tatsächlich Menschen vor einer tödlichen Überdosis bewahren kann, das wollen die etwa 15 Teilnehmer*innen der ersten Naloxon Schulung im neuen Jahr lernen. Die meisten Frauen* und Männer*, die sich nun langsam in einem Kreis um Kursleiterin Lisa und Krankenpfleger Tony einfinden, haben selbst Erfahrung mit Opiaten gemacht oder konsumieren regelmäßig. Viele kommen öfters in den Kontaktladen, manchen sieht man einen jahrelangen Kampf mit der Sucht an. Untereinander scherzt man oft rau aber kollegial. So unterschiedlich ihre Geschichten sind, schweißt die Teilnehmer*innen doch eines zusammen: Der Wunsch, das Schlimmste zu verhindern. Entsprechend gespannt sind sie also, mehr über Naloxon zu lernen.
Naloxon – Ein Gegenmittel
Einfach erklärt ist Naloxon ein Gegenmittel zu Opiaten wie Heroin, Fentanyl oder Methadon. Es hebt die Wirkung dieser Drogen für 40 bis 60 Minuten auf – ein entscheidendes Zeitfenster. Bei einer Überdosis verlangsamt sich die Atmung stark oder setzt ganz aus, Betroffene werden bewusstlos und schweben in akuter Lebensgefahr. Neben bekannten Wiederbelebungsmaßnahmen kommt hier Naloxon zum Einsatz: Das Mittel wird als Nasenspray verabreicht, es beschleunigt die Aufwachphase und Atmung, Betroffene kommen wieder zu Bewusstsein. So können sie die kritische Phase der Überdosis überwinden.
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„Man muss ihn irgendwie aufwecken“ – bei Überdosis richtig handeln
„Wer hat schon einmal eine Überdosis miterlebt?“, fragt Lisa zu Anfang in die Runde. Zaghaft heben sich einige Hände. „Und was habt ihr dann gemacht?“ „Ins Gesicht geschlagen,““, erzählt eine quirlige Kursteilnehmerin, die neben Lisa Platz genommen hat: „Man muss ihn irgendwie aufwecken.“ „Einfach in kaltes Wasser schmeißen, der braucht einen Schock“, meint eine andere. Man merkt, es ist ein emotionales Thema. Es bewegt, weil es bei den Menschen im Raum Erinnerungen weckt. Tony kennt solche Mythen und Affekthandlungen in Stresssituationen. Heute will er daher mit den Teilnehmer*innen echte lebenserhaltende Maßnahmen trainieren: Freilegen der Atemwege, Herzdruckmassage, Beatmung und Naloxon Nasenspray. „Hey, das ist vielleicht anstrengend!“ Eine Probandin setzt sich nach der Übung schwer atmend wieder auf ihren Stuhl. „Da hast dann Adrenalin genug, wenn dir das wirklich passiert“, beruhigt sie ihr Kollege.
Wie wirkt Naloxon?
„Was, wenn ich Naloxon ohne einer Überdosis nehme?“, fragt ein Teilnehmer. Naloxon selbst ist kein Suchtmittel, auf Menschen, die keine Opiate konsumieren, hat es keine Wirkung. Bei Konsument*innen ruft es kurzzeitig entzugsähnliche Symptome hervor, erklärt Tony: „Das liegt daran, dass die Wirkung der Droge plötzlich aussetzt. In dem Fall aber auf keinen Fall nochmal konsumieren. Und immer trotzdem den Notarzt rufen!“ Einige neugierige Fragen beantworten Lisa und Tony noch, doch zum Ende des Trainings sieht man vielen Teilnehmer*innen auch ihre Ungeduld an. Den Kurs mitzumachen ist Pflicht, um Naloxon zu bekommen. Endlich überreicht Lisa aber nun jeder/m Teilnehmer*in ein Zertifikat und ein Naloxon Notfall Kit. Darin enthalten: Zwei gefüllte Nasensprays und Beatmungstücher für Mund-zu-Mund Beatmung. Eine kleine Box, deren Inhalt nun Leben retten kann.
Mehr Trainings geplant
Langsam leert sich der Kontaktladen, als Amadi auf uns zukommt: „Willst du ein Foto von mir machen? Ich weiß, viele wollen anonym sein. Ich will nur allen zeigen, wie wichtig dieses Training ist.“ Amadi arbeitet im Zuge des Beschäftigungsprogramms im Kontaktladen, das Interesse der Menschen an einem solchen Notfallkit sieht er also täglich. Seine Einladung: „Alle, die’s brauchen könnten, sollten vorbeischauen!“