Dieser Beitrag von der Pedro Suchtfachstelle Ost: Kontaktladen erschien erstmals 2018.
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Nur ein paar Meter von der U-Bahn zum Pedro. Es ist schon dunkel. Halb fünf Uhr. Es ist kalt. Im Neuperlacher Einkaufszentrum PEP ist es warm und duftet. Die gestressten Gesichter der vergangenen Wochen sehen in der Vorweihnachtszeit noch gestresster aus. Ein einziger Wunsch: dazugehören. Sich auch anstellen für einen Schokocrêpe oder einen Punsch. Aber Hartz IV lässt keinen Spielraum. Nicht für einen Schokocrêpe oder Punsch. Und schon gar nicht für Weihnachtsgeschenke – selbst wenn es jemanden zu beschenken gäbe.
Zeit der Hoffnung. Die Hände sind rot vor Kälte, und auch innerlich ist es kalt. Woher die Zuversicht für das neue Jahr nehmen?
Die Weihnachtsfeier im Pedro ist schon im vollen Gange. Es hat angefangen zu schneien. Vorm Eingang drängen sich Menschen mit dampfenden Tassen. „Kinderpunsch“, sagt einer, nimmt den letzten Schluck und drückt die Tür auf. Einer der Stammgäste, Ricardo* (gestorben 2017) deutet ins Innere des Ladens. Lametta, Tannenzweige, Christbaumkugeln. „Hab ich geschmückt!“, sagt er und strahlt. „Das hab ich schon immer gut können.“ Es duftet nach Plätzchen, Schweinebraten, Ente, Rotkraut. „Selbst gemacht?“, fragt jemand. „Klar, alles!“, sagt Andi*, Mitarbeiter des Arbeitsprojekts. „Die Plätzchen haben wir sogar mit den Besuchern zusammen gebacken.“
Eine junge Frau schaut versonnen. „Das letzte Mal, als ich Plätzchen gebacken habe, war ich noch in der Grundschule. Da hat meine Oma noch gelebt, bei der ich aufgewachsen bin. Als sie gestorben ist, bin ich ja dann bald drauf gekommen.“ „Das war ein Projekt. Nächstes Jahr bist dabei!“ Engel mit weißer Tischdecke. Das Gespräch verstummt. Ein Nikolaus, jung, dynamisch weist eine verblüffende Ähnlichkeit mit einem der Pedro-Mitarbeiter auf. Im Schlepptau: der Krampus. Und er klettert auf dem Tisch herum. „Arbeitssicherheit!“ ruft eine Kollegin. Alle lachen. Manche sagen Gedichte auf, die Stimmung ist ausgelassen
„Wo ist der Besen?“, tönt es vom Arbeitsprojekt aus der Küche. „Und die Alufolie?“, fügt eine Frauenstimme hinzu. „Oh“, sagt der Nikolaus, „das ist mein Bischofsstab“. „Der Nikolaus!“
Die Mitarbeiter*innen bedienen. Alle bekommen Geschenke. Es ist der Moment der Geschenkübergabe, wenn die vom SZ-Kalender gespendeten Lebensmitteltaschen an unsere Besucher*innen überreicht werden. In diesem Moment sind nicht nur die Besucher*innen, sondern auch die Mitarbeiter*innen gerührt: „Ich stehe da und komme mir vor wie ein Weihnachtsengel, wenn ich in die dankbaren Augen der KL-Besucher*innen blicke“. Es ist oft das einzige Geschenk, die einzige Wertschätzung, die diese Menschen zum Fest der Liebe erhalten. Für einen Augenblick ein Gefühl von Zugehörigkeit zu haben, nicht allein zu sein – ein Kontaktladen ist mehr als ein Ort zum Spritzentauschen, für manche ist es auch ein Stück Zuhause.
Der Bauch ist voll. Warm von innen. Auch die Seele hat ein bisschen Geborgenheit getankt. Vielleicht das wichtigste Geschenk.
*Anm. d. Red.: Namen geändert