Suchtkrank und hinter Gittern

30. Oktober 2019

Wie durchbrechen wir den Teufelskreis?

Sucht und Haft sind häufig untrennbar miteinander verbunden. Zu den bundesweiten Aktionstagen Gefängnis muss man dieser Realität ins Auge sehen – und an wirksamen Hilfen für Betroffene arbeiten.

Unter dem Titel „Herausforderung Gesundheit hinter Gittern“ finden vom 01.-10. November 2019 die Aktionstage Gefängnis statt. Deutschlandweit sollen Vorurteile gegenüber inhaftierten Menschen abgebaut, Reintegration von Haftentlassenen verbessert sowie die gesellschaftliche Funktion von Haft an sich hinterfragt werden.

Jede*r dritte Inhaftierte in Abhängigkeit

Das Thema der Aktionstage Gefängnis, nämlich die Gesundheit von Inhaftierten, liegt dem gemeinnützigen Verein Condrobs e.V. besonders am Herzen. Seit Jahren unterstützt Condrobs suchtkranke Menschen in Haft beziehungsweise kürzlich Haftentlassene. Mit fachkundiger Beratung und Begleitung hilft der Verein Betroffenen, ihre Sucht zu bewältigen. Die Methoden dafür sind so vielfältig wie die individuellen Bedürfnisse von Suchtkranken. Fest steht aber: Sucht ist unter Inhaftierten ein brisantes Thema. Rund jeder dritte männliche Gefängnisinsasse kämpft mit Suchtproblemen, bei Frauen liegen die Schätzungen noch höher. Um einen Weg aus dem Teufelskreis aus Haft und Suchterkrankung zu finden, braucht es also dringend Taten.  

Was muss passieren?

Zum Startschuss der Aktionstage Gefängnis stellt Condrobs daher klare Forderungen:  

Rückkehr zum Prinzip „Therapie statt Strafe“

Immer seltener können Menschen aus Haft heraus Therapien in Anspruch nehmen. In den letzten 10 Jahren haben sich stationäre Therapievermittlungen halbiert. Besonders vor dem Hintergrund, dass Abhängige neben der Suchterkrankung häufig weitere medizinische und psychiatrische Diagnosen aufweisen, ist diese Entwicklung alarmierend. In Haft können wichtige Prozesse für den Weg aus diesen vielschichtigen Problemlagen angestoßen werden. Dann aber braucht es ein differenziertes Behandlungsangebot außerhalb der Mauern. Es gilt: Eine Therapie dient der Resozialisierung.

Substitutionsbehandlung während der Haft

Als erster Schritt aus der Opioid-Abhängigkeit ist Substitution, also die Stabilisierung und Überlebenssicherung durch Medikamente wie Methadon, eine anerkannte Methode. Auch der bayerische Strafvollzug lässt nun endlich Substitution zu. Wichtig sind daher der weitere Ausbau dieses Angebots und vor allem ein einheitliches Versorgungskonzept in allen Justizvollzugsanstalten. Eine beständige Substitution mit psychosozialen Hilfen beugt dem Konsum illegaler Substanzen in Haft vor und erhöht die Chancen auf Resozialisierung.  

Existenzsicherung nach der Haft

Kürzlich Haftentlassene stoßen oft auf existenzgefährdende Hürden. Nur mit sorgfältiger Planung und Begleitung kann ein gesunder und geregelter Wiedereinstieg in die Gesellschaft gesichert werden. So sind Inhaftierte etwa nicht in die gesetzlichen Krankenversicherungen einbezogen. In enger Vernetzung sollten Justizvollzuganstalten, Jobcenter und Krankenkassen daher Fragen nach Sozialleistungen und Krankenversicherung schon während der Entlassungsvorbereitung klären. Nur so kann die nahtlose Weiterbehandlung suchtkranker Haftentlassener sichergestellt werden. Ähnlich beim prekären Thema fehlender Wohnraum: Nahtlose Hilfen im Übergang herzustellen gleicht bisweilen einem akrobatischen Akt. Insbesondere für substituierte Menschen fehlt es an therapeutisch gestützten Wohnangeboten – eine große Versorgungslücke!  

Für ein selbstbestimmtes Leben

Strafe ist nicht das primäre Ziel von Haft. Maßgeblich ist die gelungene Resozialisierung straffällig gewordener Menschen. Jeder Schritt innerhalb des Justizvollzugs sollte die Chancen auf ein unabhängiges, selbstbestimmtes Leben nach der Haft mitdenken und erhöhen. Neben einem stabilen sozialen Umfeld bildet die physische und psychische Gesundheit von Inhaftierten dafür das Fundament.

Condrobs e.V. ist Mitunterzeichner des 6 Eckpunkte-Papiers Haft „Prison Health is Public Health“

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