Suchthilfe München aktuell: Bundesdrogenbeauftragter Burkhard Blienert zu Besuch im Condrobs-Kontaktladen limit

9. September 2022

Der 07.09.2022 war kein Tag wie jeder andere im limit in der Schwabinger Emanuelstraße. Der Condrobs-Kontaktladen für Drogengebraucher*innen war Treffpunkt von Vertreter*innen der Münchner und der bayerischen Landespolitik mit dem Bundesdrogenbeauftragen, Burkhard Blienert und dem Hilfeträger Condrobs. Diskutiert wurden die Bausteine einer wirksamen Suchthilfe, die Schadensminderung und Überlebenshilfe leistet.

Ein Treffen unterschiedlicher Positionen

Condrobs hatte Vertreter*innen unterschiedlichster politischer Richtungen eingeladen, die sich über die neuesten Erkenntnisse informieren ließen. Anwesend waren Kerstin Celina (MdL, Sprecherin für Sozialpolitik und Inklusion, Bündnis 90/Die Grünen Bayern), Ronja Endres (Vorsitzende der Bayern SPD), Bernhard Seidenath (MdL, Vorsitzender des Ausschusses für Gesundheit und Pflege, gesundheits- und pflegepolitischer Sprecher der CSU-Landtagsfraktion), Beatrix Zurek (Leiterin des Gesundheitsreferats der Landeshauptstadt München), Janine Johannes (Parlamentarische Beraterin für Pflege und Psychiatrie, Bündnis 90/Die Grünen Bayern) sowie Ludwig Wannenmacher (Mitarbeiter im Büro von Verena Dietl, 3. Bürgermeisterin der Landeshauptstadt München).

Bundesdrogenbeauftragter einig mit dem Condrobs-Motto 

Als besonderer Gast nahm der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, Burkhard Blienert, an der Veranstaltung teil. „Das Condrobs-Motto „verstehen.helfen.begleiten“ könnte ich zu meinem Motto machen“, so Blienert. „Ich möchte Zusammenhänge verstehen und erfahren, wo man Ansätze finden kann. Ich möchte helfen. Aber nicht nur „helfen“ im karitativen Sinne, sondern wir nehmen Drogengebraucher und -gebraucherinnen ernst als Menschen. Und beim Begleiten geht es darum, sie in schwierigen Phasen zu unterstützen. Es sind Menschen, die leben wollen.“

Dass es noch viel zu tun gibt, sei, so Burkhard Blienert, angesichts der weiterhin deutlich zu hohen Zahl verstorbener Drogengebraucher*innen offensichtlich. Dies machte auch Condrobs-Vorständin Katrin Bahr deutlich. Sie wies darauf hin, dass in den vergangenen zwölf Monaten die Zahl der Drogentoten in Bayern im Vergleich zum Vorjahr von 64 auf 72 Menschen gestiegen ist.

Drogenkonsumräume haben sich bewährt – in jeder Hinsicht

„Menschen, die suchtkrank sind und Drogen konsumieren, sind Menschen wie Du und ich und haben ein Recht auf Überlebenshilfen!“, so Bahr. „Es ist aus unserer Sicht seitens der bayerischen Staatsregierung grob fahrlässig, Drogenkonsumräume zu verweigern.“ Man sei auf den Willen und die Unterstützung der politischen Entscheidungsträger angewiesen.

An bereits nachweisbaren Erfolgen mangele es jedenfalls nicht, betonte Bahr: „Europaweit, in Kanada und den USA weisen viele Städte überzeugende, evaluierte Erfolge durch Drogenkonsumräume auf. Die Todeszahlen sinken, der Drogenkonsum in der Öffentlichkeit wird reduziert. Drogenkonsumräume sind ein Mittel der Prävention des Drogenhandels und zusätzlich steigt das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung.“

Brücken bauen als Ziel

Dass es nicht so einfach sei, bundesweite Regelungen zu verabschieden, musste Burkhard Blienert eingestehen. Gleichzeitig versicherte er, dass die Bundesregierung die im Koalitionsvertrag verankerten Maßnahmen forcieren werde. Hierzu gehören Drug-Checking, der Ausbau von Substitutionsangeboten, sowie insbesondere auch die Einrichtung von Drogenkonsumräumen: „Es hilft den Menschen letztendlich und es ist ja widerlegt, dass dadurch Konsum angeheizt wird.“

Dass an diesem Tag verschiedene Parteien gemeinsam am Tisch sitzen und über dieses Thema reden, freue ihn sehr, denn sein Ziel sei es, so der Bundesbeauftragte, Brücken zu bauen, um etwas zu erreichen.

Diskussion um die Konsumräume

Dass es in Bayern, insbesondere in der Landeshauptstadt München, bislang noch keinen Konsumraum gibt, sorgte für rege Diskussionen. Bereits 2010 und 2018 hatte es Stadtratsbeschlüsse zur Schaffung von Konsumräumen in München gegeben, die jedoch von der bayerischen Staatsregierung abgelehnt wurden.

Auf die Nachfrage von Condrobs-Vorstand Frederik Kronthaler, warum sich die CSU nach wie vor dagegen sperre, machte der gesundheits- und pflegepolitische Sprecher der CSU-Landtagsfraktion, Bernhard Seidenath, deutlich, warum er diese Entscheidung nach wie vor für richtig hält: „Wir wollen den Menschen helfen, die suchtkrank sind. Konsumräume helfen langfristig nicht, Leben zu retten. […] Ich habe es in Frankfurt so erlebt, dass dort harte Drogen verharmlost werden. Das ist falsch, es ist illegal und es ist schädlich!“ Condrobs-Gründer Alexander Eberth gab daraufhin zu bedenken, dass schon früher von der bayerischen Landesregierung als „abwegig“ bewertete Maßnahmen doch irgendwann umgesetzt wurden, sich als erfolgreich erwiesen haben und heute zum Standard einer gelingenden Suchthilfe gehören.

Ein informativer Tag, der Hoffnung macht

Der Austausch und die angeregte Diskussion mit den Vertreter*innen der politischen Parteien war äußerst wichtig und lehrreich. Dazu trugen auch eine informative Führung durch den Kontaktladen durch Condrobs-Einrichtungsleiterin Vanessa Cramer sowie der Beitrag über Überlebenshilfen von Olaf Ostermann, Condrobs-Abteilungsleiter Angebote für Ältere und niedrigschwellige Hilfen München, bei. Er berichtete über das das erfolgreiche Take-Home-Naloxon-Programm, das aufgrund seiner wissenschaftlich evaluierten Wirksamkeit fortgeführt wird.

Condrobs dankt allen Beteiligten und den Referent*innen herzlich für ihre Teilnahme. Ein besonderer Dank gilt Burkhard Blienert, der uns als Vertreter der Bundesregierung Hoffnung macht, dass künftige Entscheidungen im Sinne der Klient*innen mit Nachdruck angegangen werden – auch in Bayern.

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