Offener Brief zum Umsetzungsverfahren des Cannnabisgesetzes

11. Januar 2024

Condrobs gehört zu den Unterzeichnenden eines an die Abgeordneten der SPD gerichteten Briefes bzgl. des Umsetzungsverfahrens des Cannnabisgesetzes. Nachfolgend der Wortlaut des Appells. 

 

Sehr geehrte Abgeordnete der SPD,

die mediale Berichterstattung der vergangenen Wochen haben wir kritisch verfolgt. Eine weitere Verzögerung im Zeitplan des Umsetzungsverfahrens hinsichtlich des Cannnabisgesetzes, sowie ein Aufkommen zweifelnder und widerständiger Stimmen innerhalb der SPD-Fraktion und der Koalition besorgen uns Drogenberatungsstellen sehr.

Natürlich dürfen, müssen und werden Debatten kritisch, umfassend und kontrovers geführt, dafür haben wir großes Verständnis. Zu konstatieren ist auch, dass es mit dem Umsetzungsprozess einhergehend Unsicherheiten und Unwägbarkeiten geben wird. Ebenso wird es Menschen geben, die mit einer kontrollierten Freigabe gegebenenfalls individuelle Problematiken entwickeln können, und Jugendschutz, Cannabis und Verkehr, Marktregulierung sowie andere Themen müssen sich in der Praxis bewähren und nachhaltig entwickeln.

Als ambulante Drogenhilfen sind wir mit unseren Präventions- und Beratungsangeboten nahe an den Konsument*innen und in der Regel die erste Anlaufstelle bei anfallenden Problematiken. In der Statistik für Neuaufnahmen sieht sich Cannabis auf einer Ebene mit Opioiden und Stimulantien und bildet mancherorts inzwischen den stärksten Nachfragebedarf. Bei den Zugängen der Cannabisnutzer*innen ist jedoch zu beachten, dass die große Mehrheit dieser Anfragen fremdmotiviert, in der Regel juristisch intendiert sind. Die Entkriminalisierung von Cannabis wäre eine große Entlastung und Chance für die Drogenhilfe und eine Aufwertung der gezielteren Prävention und effektiveren Beratung.

Der bisherige Verbotsstatus von Cannabis hat in Bezug auf Konsumverhalten keinen schützenden Effekt. Die Erfahrung aus über 50 Jahren zeigt sich in der Praxis der Suchtberatung sehr deutlich: Repression, Verbot und Strafverfolgung sind kontraproduktiv! Uns begegnen viele Menschen die durch die durch Verfolgung und Sanktionen ihres Konsums in ihren Lebensläufen und Existenzen nachhaltig geschädigt werden. Verurteilungen führen häufig zu dramatischen beruflichen, familiären und sozialen Konflikten. Und wir treffen zunehmend auf Menschen, die alternativlos verunreinigte, schädliche und teilweise extrem hoch dosierte unkontrollierte Substanzen und gefährliche synthetische Produkte aus dem Schwarzmarkt konsumieren.

Die bisherige Verbotspolitik und die damit verbundene Angst vor einer Strafverfolgung be- und verhindert den Weg in die Suchtberatung und in die Behandlung. Besonders problematisch ist das bei jugendlichen und jungen Konsumierenden. In der jetzigen Rechtspraxis wird der Dialog mit (jungen) Konsumierenden und somit die Früherkennung von problematischen Konsummustern erschwert und zum Teil verunmöglicht. Gefährdete Konsument*innen finden aus Angst vor Repressionen nur selten den Weg in die Beratungsstelle

Die positiven Auswirkungen einer Cannabisregulierung auf die ambulante Drogenhilfe wären daher immens. Menschen, die aufgrund ihres Cannabiskonsums Hilfe benötigen, könnten offen und ohne Angst vor Sanktionen und Strafverfolgung über ihre Situation sprechen und sich beraten lassen. Und genau das sind unsere Ziele:

Wir wollen Konsument*innen mit kluger Aufklärung, mit Risikokompetenzangeboten und frühzeitiger Hilfestellung erreichen und schädliche Auswirkungen und problematischen Konsum eindämmen und zu verhindern.

2024 soll das Cannabisgesetz in Deutschland verabschiedet werden. Damit geht die Bundesregierung einen wichtigen und verantwortungsvollen Schritt voran und verfolgt konsequent den anvisierten Paradigmenwechsel in der deutschen Drogenpolitik. Die Drogenhilfe hat sich lange für diese, aus unserer fachlichen Sicht notwendigen, Veränderungen eingesetzt. Wir begrüßen diese Vorhaben sehr und appellieren eindringlich an Sie, sich an der Fortführung und einer zeitnahen Umsetzung des Cannabisgesetzes weiterhin konstruktiv zu beteiligen und diese nicht zu behindern.

Als Mitglied der SPD haben Sie die Möglichkeit, eine fortschrittliche Cannabispolitik zu gestalten, die Verbraucher*innen besser schützen hilft und nicht zuletzt Prävention und die Arbeit der Drogenhilfe stärkt. Lassen Sie uns gemeinsam einen Weg beschreiten, der auf Prävention, Aufklärung und Hilfe statt auf Repression und Stigmatisierung setzt.

Wir appellieren eindringlich an Sie, sich weiterhin für eine umfassende Regulierung von Cannabis einzusetzen.

mudraJugend- und Drogenhilfe Nürnberg e.V.

Suchthilfezentrum Stadtmission, Nürnberg

Hängematte e.V. Nürnberg

Lilith e.V. – Drogenhilfe für Frauen und Kinder Nürnberg

Condrobs e.V.

Subschwul-queers Zentrum München, Chemsex-Beratung  München

Drugstop Drogenhilfe Regensburg

NEON Prävention & Sucht Rosenheim

Ambulanter Betreuungs-Dienst gGmbH Neumarkt, u.a.

 

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