Zum „International Safe Abortion Day“: Für eine Enttabuisierung von Schwangerschaftsabbrüchen

28. September 2022

Der seit 30 Jahren stattfindende International Safe Abortion Day hat angesichts des Wiedererstarkens der Einschränkungen sexueller und reproduktiver Rechte in vielen Ländern der Welt an Wichtigkeit nicht verloren – ganz im Gegenteil. Selbst in demokratisch regierten Ländern wie den USA oder Polen haben meist rechts-konservative Kräfte dafür gesorgt, dass Schwangerschaftsabbrüche erschwert oder de facto verboten sind. In Folge dieser Restriktionen sind schwangere Frauen* bei medizinisch nicht begleiteten Schwangerschaftsabbrüchen gestorben, Ärzt*innen wurden kriminalisiert und drangsaliert und die (Menschen)rechte von Frauen* wurden massiv beschnitten.

Aufhebung des §219a StGB

In Deutschland konnte hingegen zumindest ein Teilerfolg erzielt werden. Nach langem, zähem Ringen fällt in diesem Jahr der §219a StGB. Das damit verbundene „Werbeverbot“ für Schwangerschaftsabbrüche wird dadurch aufgehoben. Mit dieser Gesetzesänderung ist es Ärzt*innen endlich gestattet, umfassend über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren. Ein bedeutsamer Schritt, der die Selbstbestimmungsrechte der Frauen* stärkt und der Sicherung der Gesundheit von Frauen* Rechnung trägt.

Straftatbestand darf nicht bestehen bleiben

Die Streichung dieses Paragrafen kann jedoch nur der Anfang sein. Denn nach wie vor ist in Deutschland der §218 StGB in Kraft, der Schwangerschaftsabbrüche als Straftat bewertet. Die fehlende Aufhebung des Straftatbestands hat weitreichende Folgen: die Professionalisierung der medizinischen Aus- und Weiterbildung zum Schwangerschaftsabbruch wird erschwert, woraus Versorgungslücken in vielen Regionen resultieren. Zudem verhindert es die Möglichkeit der Kostenübernahme durch die Krankenkassen.

 Für Condrobs-Klient*innen: Stärkung ihrer Selbstbestimmung

Die Probleme der mangelhaften gesetzlichen Regelung und der tief in der Gesellschaft verankerten Tabuisierung von Schwangerschaftsabbrüchen zeigt  sich auch bei Condrobs im Arbeitsalltag. Unsere Mitarbeiter*innen begleiten Mädchen und Frauen, die ungewollt schwanger geworden sind, in ihrem ganz persönlichen Auseinandersetzungsprozess. Wir stehen ihnen während einer schwierigen Entscheidung großer Tragweite bei, deren Konsequenzen sie selbst tragen müssen, egal wie sie sich entscheiden. Wir unterstützen sie mit einer akzeptierenden Grundhaltung, stärken sie in ihrer Selbstbestimmung und entwickeln gemeinsam Perspektiven. Wichtig sind adäquate Hilfen für Mädchen* und Frauen*, um eine konkrete Lebensperspektive als alleinerziehende Mutter oder als Familie bei einer Entscheidung gegen einen Schwangerschaftsabbruch zu haben.

Bei schwangeren Mädchen bzw. sehr jungen Frauen,  sind oftmals noch deren  Eltern oder ein Teil der Ursprungsfamilie, in diese Entscheidungen mit eingebunden. Und auch die Partner, sprich die potenziellen Väter, werden nach Möglichkeit von Condrobs in diesem Prozess begleitet. Condrobs hält eigene Hilfeangebote für Mütter und Väter mit Kindern vor.

Condrobs unterstützt Forderungen

Für den Fall, dass sich eine Frau gegen die Fortführung der Schwangerschaft entscheidet, ist ein medizinisch sicherer, enttabuisierter Schwangerschaftsabbruch ohne Schuldzuweisungen zwingend notwendig..

Im Zuge des heutigen International Safe Abortion Day fordert Condrobs daher:

  • Es muss ein Maßnahmenkatalog entwickelt werden, der Versorgungslücken im Bereich Schwangerschaftsabbrüche behebt
  • Reproduktive Gesundheit muss als Menschenrecht anerkannt werden
  • Der §218 StGB muss neu aufgesetzt werden.
  • Die Regelung der Konfliktberatung innerhalb der ersten 12 Schwangerschaftswochen ist sinnvoll.
  • Die Beratungspflicht und die im §218a festgehaltene Wartezeit müssen gestrichen werden
  • Ein Recht auf qualifizierte und ergebnisoffene Beratung als verpflichtende Aufgabe des Bundes bzw. der Bundesländer
  • Die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs und der Nachsorge müssen von der Krankenkasse als Teil der regulären Gesundheitsversorgung und des Gesundheitsschutzes getragen werden
  • Methoden des Schwangerschaftsabbruchs müssen verpflichtend sein in der Ausbildung von gynäkologischen Fachärzt*innen
  • Der kostenfreie Zugang und umfassende Informationen zu Verhütungsmitteln sowie die kostenlose Abgabe der „Pille danach“ im Notfall
  • Enttabuisierung des Schwangerschaftsabbruchs und Berücksichtigung des Themas in der sexuellen und gesellschaftlichen Bildung
  • Mädchen* und Frauen* in schwierigen Lebensbedingungen adäquat darin unterstützen, um eine tragfähige Perspektive für Mutterschaft bzw. Elternschaft zusammen mit dem /der Partner*in zu ermöglichen.

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